Damit fange ich jetzt mal was an: Über Neue Musik

Ich kann mit Neuer Musik nichts anfangen. Ich wünschte, es wäre anders, aber es ist leider so. Was mich in dem Zusammenhang wütend macht, ist die Tatsache, dass es sehr wohl einen Haufen Menschen zu geben scheint, die mit Neuer Musik etwas anfangen können. Wenn man z.B. auf die Homepage vom Ensemble Mosaik geht, findet man Veranstaltungen in aller Herren Länder und die Liste der Förderer liest sich wie das „Who is Who“ des offiziellen deutschen Kulturbetriebs, von Deutschlandradio bis Goethe-Institut.
Ich kann mir nur zusammenreimen, dass es bei Neuer Musik um das Verändern von Hörgewohnheiten geht. Komischerweise habe ich noch nie Schwierigkeiten gehabt, meine Sehgewohnheiten zu verändern – wie es die moderne bildende Kunst verlangt – und das sogar oft mit größtem Vergnügen.
Warum funktioniert das Verändern von Hörgewohnheiten bei mir nicht? Fehlt mir die Gewohnheit, die die Grundlage für das Erkennen einer Veränderung bilden müsste? Kenne ich das Traditionelle zu wenig, um mich nach dem Neuen zu sehnen? Wenn ich Musik höre, bin ich immer auf der Suche nach einem Rhythmus, nach einer Melodie, aber es reicht, wenn diese sporadisch erscheinen oder aufgegriffen werden. Wenn ich kein solches „Thema“ finde, an dem ich mich orientieren kann, bin ich verloren. Dann ist neue Musik eine sinnlose Aneinanderreihung von unvorhersehbaren Tönen bzw. Pausen und versetzt mich in einen latenten Panikzustand, weil ich nie weiß, was als nächstes passiert.
Oha! Was ist so schlimm daran, nicht zu wissen, was als nächstes passiert, es sei denn, man wäre ein ausgemachter Kontrollfreak und hasste Überraschungen? Das klingt ziemlich uncool. Vielleicht ist das Problem ja, dass ich mich Musik grundsätzlich mit Erwartungen nähere und dabei immer das quasi in Beton gegossene Bezugssystem der traditionellen, oder sagen wir mal, „geläufigen“ Musik mit mir herumschleppe? Wäre es nicht toll, sich davon lösen zu können?
Es ist ja auch nicht so, dass mich alle moderne Kunst berührt, ganz und gar nicht. Aber ein Kunstwerk kann ich ignorieren, ich kann daran vorbeigehen oder es so lange anstarren, bis es zu mir spricht (wenn ich Glück habe). Neue Musik, Neues Theater oder Neuer Tanz findet direkt vor meinen Augen und Ohren statt, ich kann nicht auf die Pause-Taste drücken oder zurückspulen, um mir eine Passage noch einmal anzuhören oder zu -sehen. Ich habe keine Kontrolle. Ich kann nicht ewig darüber nachdenken, was die Kunst mir hier sagen will.
Vielleicht ist ein bisschen so, wie ohne Karte in einen Urwald zu gehen. Entweder sucht man die ganze Zeit nach Anhaltspunkten und Dingen, die einem bekannt vorkommen. Oder man lässt los und freut sich an der exotischen Umgebung. Und wenn ich beim nächsten Konzert Neuer Musik keine Angst mehr habe, von einem wilden Tier gefressen zu werden, ist doch schon viel gewonnen!
Zugegeben: ein paar kleine Brotkrümel streue ich mir vorher aus. Zum Beispiel weiß ich aus dem Internet, dass es sich beim Ensemble Mosaik um eine Gruppe von Leuten handelt, die alle etwa in meinem Alter sind. Außerdem habe ich mir ein Video von Ihnen angesehen mit dem Titel „Exit to Enter“. Und genau das mache ich ja: ich gehe raus, um wieder reinzukommen. Darum werde ich auf jeden Fall zu ihrem Konzert im Kunstraum gehen. Ich kann’s kaum erwarten!

www.kunstraum-tosterglope.de